Rolf Dalhäuser und Rolf Bernhard – Im Höhen- und Weitenrausch

Sie haben in Torun 2021 Geschichte geschrieben: Ajla del Ponte im 60-m-Sprint und Angelica Moser im Stabhochsprung sorgten in ihren Disziplinen für Premieren und gewannen das erste Schweizer Doppelgold an Hallen-Europameisterschaften seit vierzig Jahren. Zwei Titel am gleichen Anlass – das gab es zuletzt in Grenoble 1981 dank Roland Dalhäuser und Rolf Bernhard.

Mit 2,28 m in Magglingen angereist, meistert Roland Dalhäuser die Schweizer Rekordhöhe auch auf europäischem Parkett. Der 1,91 m grosse Athlet vom TV Birsfelden überflügelt in Grenoble unter anderem den späteren Freiluft-Europameister und Olympiasieger Dietmar Mögenburg und wird dritter Schweizer Hallen-Europameister nach Meta Antenen und Markus Ryffel.

Den Schwung kann der 23-jährige Baselbieter aus Ormalingen in die Freiluftsaison mitnehmen. Beim internationalen Hochsprung-Meeting im baden-württembergischen Eberstadt schraubt Dalhäuser seinen eigenen Outdoor-Rekord von 2,26 auf 2,31 m und darf sein Gewicht – immerhin 86 kg – mit Wein in Form von Trollinger Spätlese aufwiegen.

Doch nicht genug: Der «sympathische Schweizer», wie er vom Stadionspeaker genannt wird, versucht sich gar am Weltrekord (2,36 m) des ostdeutschen Olympiasiegers Gerd Wessig, scheitert auf 2,37 m jedoch denkbar knapp. Mit Wessig hat Dalhäuser 1980 an den Olympischen Spielen heimlich das Trikot getauscht und den Kontakt über die Sportkarriere hinaus aufrechterhalten.

Beflügelt von Auszeichnung zum Schweizer Sportler des Jahres 1981, greift Roland Dalhäuser an den Hallen-Europameisterschaften 1982 in Mailand erneut nach den Sternen. Zwar kann der Schützling von Hans Mohni seinen Europameister-Titel nicht verteidigen, realisiert mit 2,32 m freilich seinen 16. Landesrekord.

Mit Gold 1981, Bronze 1982 und Silber 1984 sammelt Dalhäuser einen kompletten Medaillensatz an der Hallen-EM. Dazu kommen zwei fünfte Plätze an den Olympischen Spielen 1980 und den Indoor-Weltmeisterschaften 1987 in Indianapolis. Mit 2,32 m (gleiche Höhe wie der 20-jährige spätere Überflieger Javier Sotomayor) hievt sich der heutige Leiter eines Alters- und Pflegeheims nochmals in die gleichen Sphären wie zu Beginn der achtziger Jahre. Sein Hallenrekord von 2,32 m hat bislang allen Angriffen standgehalten – genauso wie seine 2,31 m beim ersten von zwei Siegen in Eberstadt 1981/1982.

Begehrte Ostblock-Trikots
Zurück ins Jahr 1981, zurück zu den Hallen-Europameisterschaften in Grenoble. Nur einen Tag nach Roland Dalhäuser doppelt Rolf Bernhard in der Sandgrube nach. Der 32-jährige Routinier vom Arbeiter-Turnverein Frauenfeld knackt erstmals die 8-m-Marke unter dem Hallendach und lässt sich wie Dalhäuser als Europameister feiern. Bernhards 8,01 m bedeuten bis heute Schweizer Indoor-Rekord.

Den ersten von total 19 Landesrekorden hat der Thurgauer bereits 1971 – vor 50 Jahren – an den Schweizer Meisterschaften in Basel aufgestellt. 1975, Anlässlich der Einweihung des Stadions Trinermatte in Zofingen, schafft der vollberufstätige Elektroniker und Riesenschlangenbesitzer Historisches: als erster Schweizer übertrifft er die magische Grenze von 8,00 Metern. Etwas, das dem Sportler des Jahres 1975 unter den Fittichen von Ernst-Peter Huber noch ein Dutzend Mal gelingen sollte.

Speziell: Weil es vom ATV Frauenfeld kein offizielles Vereinsdress gab, vollbrachte der Rekordspringer die denkwürdige Steigerung von 7,99 m auf 8,00 m im Trikot des späteren Europarekordhalters Nenad Stekić. Dieses hatte Bernhard ein Jahr zuvor an der EM in Rom mit dem jugoslawischen Silbermedaillengewinner getauscht. Seinen Exploit führte der EM-Fünfte allerdings auf die neue Technik und den veränderten Anlauf mit (19) kürzeren Schritten zurück.  

Dabei vermochte der Arbeitersportler sein Potenzial im Training bis 1974 nicht ganz auszuschöpfen. Da in seiner Heimatstadt Frauenfeld noch keine Kunststoffanlage existierte, die meisten Wettkämpfe jedoch auf einem solchen Belag stattfanden, musste der Amateur nach Feierabend regelmässig nach Zürich ins Sihlhölzli oder nach Aarau ins Stadion Schachen fahren, um mit seinem stärksten Konkurrenten und Disziplinkollegen Linus Rebmann auf der entsprechenden Unterlage zu trainieren. 

Rekordsprung am Nationalfeiertag
Was für die Hochspringer Eberstadt, ist für die Weitspringer das österreichische Ebensee. Hier landet Rolf Bernhard am 1. August 1981 seinen grössten Exploit, den «Sprung ins nächste Jahrtausend». 8,14 m messen die Kampfrichter für den dreifachen Olympiateilnehmer und 19-fachen Rekordmann (4 x indoor/15 x outdoor), der sich 1982 mit Hallen-EM-Silber von der internationalen Bühne verabschieden sollte und unterdessen den verdienten Ruhestand geniesst.

Während Dalhäusers Vertikal-Rekord von 1981 wankt, aber noch steht, ist Bernhard zumindest im Freien abgelöst worden. Am 2. August 2003 – und ebenfalls in Ebensee – segelt Julien Fivaz 8,27 m weit. Wird das Jubiläumsjahr 2021 auch zum Rekordsprungjahr?  

(sto)