Das Nationality Review Panel von World Athletics hat Dominic Lobalu per 10. Mai 2024 die Berechtigung erteilt, für die Schweiz an internationalen Meisterschaften zu starten. Damit wird der 25-jährige Läufer des LC Brühl St. Gallen an den Europameisterschaften in Rom (ITA) Anfang Juni erstmals an internationalen Titelkämpfen für sein neues Heimatland antreten dürfen.
Im Rahmen des Medientags, den Swiss Athletics und die beiden Veranstalter der Diamond-League-Meetings von Zürich und Lausanne am Dienstag in Bern durchführten, machte Swiss-Athletics-Präsident Christoph Seiler den langersehnten Entscheid publik und überreichte Dominic Lobalu das Trikot der Schweizer Leichtathletik-Nationalmannschaft.
World Athletics reagierte mit dem jüngsten Entscheid positiv auf ein Wiedererwägungsgesuch, das Swiss Athletics am 29. September 2023 dem zuständigen Nationality Review Panel eingereicht hatte. Zuvor hatte das Gremium zwar den von Swiss Athletics beantragten Nationenwechsel bewilligt, sprach allerdings in Bezug auf das Startrecht an internationalen Meisterschaften (EM und insbesondere WM) eine dreijährige Wartefrist aus. Dies hätte zur Folge gehabt, dass Dominic Lobalu die Schweiz erst ab 6. April 2026 an kontinentalen und globalen Titelkämpfen hätte vertreten dürfen.
Dominic Lobalu ist es aufgrund der gesetzlichen Fristen derzeit nicht möglich, die Schweizer Staatsbürgerschaft zu beantragen. Gleichwohl gelang es Swiss Athletics, im Wiedererwägungsverfahren aufzuzeigen, dass Dominic Lobalu über eine gefestigte und auf Dauer angelegte Bindung zur Schweiz verfügt. So wurde er nach der Bewilligung des Nationenwechsels ins Nationalkader von Swiss Athletics aufgenommen und steht als anerkannter Flüchtling unter dem Schutz der Schweiz.
Erfreulicherweise berücksichtigt World Athletics diese ausserordentliche Situation im jüngsten Entscheid. Das Nationality Review Panel nutzt seinen reglementarischen Spielraum und erteilt Dominic Lobalu per 10. Mai 2024 die uneingeschränkte Startberechtigung für dessen neues Heimatland, die Schweiz.
Erstmals im Dress der Schweizer Nationalmannschaft könnte Dominic Lobalu am 8. Juni 2024 an den Start gehen. Dann findet das 5000-m-Rennen an den Europameisterschaften in Rom statt. Der Athlet des LC Brühl hat die EM-Limite gleich in vier Disziplinen erfüllt (1500 m, 5000 m, 10’000 m und Halbmarathon).
Swiss Athletics geht davon aus, dass die Startberechtigung auch für die Olympischen Spiele in Paris gilt, sofern sich Dominic Lobalu sportlich dafür qualifiziert. Eine entsprechende Anfrage von Swiss Olympic und Swiss Athletics ist beim IOC hängig.
Chronologie:
- 2007 verliert Dominic Lobalu bei einem Angriff auf sein Dorf im heutigen Südsudan seine Eltern und flüchtet als 9-jähriges Waisenkind nach Kenia, ins Kakuma Refugee Camp. Später findet er Aufnahme im Athlete Refugee Team (ART).
- Im Mai 2019 beantragt er im Anschluss an einen Strassenlauf in Genf Asyl in der Schweiz.
- In der Ostschweiz integriert er sich auch dank des Laufsports beispielhaft. Unter seinem neuen Trainer Markus Hagmann entwickelt er sich als Mitglied des LC Brühl St. Gallen zum Weltklasse-Läufer. Am 30. Juni 2022 gelingt ihm mit dem Sieg am Diamond-League-Meeting in Stockholm über 3000 m der internationale Durchbruch. Er tritt danach an internationalen Wettkämpfen unter der Flagge Südsudans an. Für jenes Land, aus dem er auf tragische Art und Weise als Kind vertrieben wurde.
- Aufgrund der gesetzlichen Fristen ist es Dominic Lobalu erst in einigen Jahren möglich, die Schweizer Staatsbürgerschaft zu beantragen. Weil er das ART verlassen hat, verwehrt ihm World Athletics, weiterhin als Flüchtling an internationalen Titelkämpfen anzutreten. Trotz seines Weltklasse-Niveaus hat Dominic Lobalu zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit, an glo-balen Meisterschaften gegen die besten Läufer der Welt anzutreten und um Medaillen zu kämpfen.
- Auf Anfrage von Dominic Lobalu teilt ihm World Athletics am 20. Dezember 2022 mit, dass auch ein internationaler Start als sogenannter «neutraler Athlet» nicht möglich sei. Gleichzei-tig weist World Athletics Dominic Lobalu auf die reglementarische Option hin, via Swiss Athletics, gestützt auf die im Jahr 2022 überarbeiteten World Athletics Eligibility Rules und Transfer of Allegiance Regulations, die Startberechtigung für die Schweiz zu beantragen.
- Am 6. April 2023 reicht Swiss Athletics beim zuständigen Nationality Review Panel von World Athletics ein entsprechendes Gesuch ein. Swiss Athletics verlangt darin, dass Dominic Lobalu gemäss den Eligibility Rules von World Athletics per sofort für die Schweiz an internationalen Meisterschaften startberechtigt ist.
- Das Nationality Review Panel bewilligt per 7. September 2023 den Nationenwechsel von Dominic Lobalu, verknüpft mit einer dreijährigen Wartefrist ab Gesuchseinreichung für den Start an internationalen Titelkämpfen. Somit nimmt Dominic Lobalu zwar seit dem 7. September 2023 an Meetings und Laufwettkämpfen unter Schweizer Flagge teil, an internationalen Meisterschaften (insbesondere EM und WM) darf er aber erst ab dem 6. April 2026 für die Schweiz antreten. World Athletics verlangt im Entscheid weiter, dass Dominic Lobalu bis zu diesem Zeitpunkt darlegt, dass er seine Bindung zur Schweiz weiter gefestigt hat.
- Am 29. September 2023 stellt Swiss Athletics ein Wiedererwägungsgesuch bei World Athletics. Darin verlangt Swiss Athletics die sofortige Aufhebung der dreijährigen Wartefrist.
- Swiss Athletics nimmt Dominic Lobalu per 1. November 2023 ins Nationalkader auf. Am 1. Dezember 2023 präzisiert der Zentralvorstand die nationalen Reglemente: Athletinnen und Athleten, die gemäss World Athletics unter Schweizer Flagge starten, werden Schweizer Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern gleichgestellt. Damit ist Dominic Lobalu an Schweizer Meisterschaften start- und titelberechtigt und kann Schweizer Rekorde laufen.
- Am 10. Mai 2024 teilt das Nationality Review Panel von World Athletics Swiss Athletics mit, dass Dominic Lobalu die Schweiz ab sofort an internationalen Meisterschaften (National Representative Competitions and Other Representative Competitions) vertreten darf.
- Gleichentags informieren Swiss Olympic und Swiss Athletics das IOC über den Entscheid von World Athletics und beantragen, dass die Entscheidung von World Athletics für die Olympischen Spiele übernommen wird. Eine Rückmeldung des IOC steht noch aus.
(SwA)