Das erste Schweizer Edelmetall bei den Europameisterschaften in Berlin ist Tatsache. Alex Wilson (Old Boys Basel) sprintet über 200 m mit Schweizer Rekord zur ersten Sprintmedaille eines Schweizers seit 40 Jahren und wird Dritter! Loïc Gasch (US Yverdon) schaffte es überraschend in den Hoch-Final.
Es war einmal ein jamaikanischer Junge, der als 15-Jähriger in die Schweiz, nach Basel kam. Als er im lokalen Leichtathletikverein zu trainieren begann und gleich mit einigen Konventionen und ungeschriebenen Regeln brach, dazu noch grosse Sprüche klopfte und von seinem damaligen Trainer Wörter wie „Gopferdeckel“ rezitierte, da belächelten ihn die Leute. Und wieder belächelten ihn, der mittlerweile Schweizer geworden war, die Leute für seine grossen Worte, als er an der Frühjahrs-Medienkonferenz von Swiss Athletics 2018 ankündigte, eine EM-Medaille in Berlin als minimales Saisonziel zu haben. Belächelt deshalb, weil er bisher ein achter Platz bei der EM 2016 über 200 m als einziger Finalplatz an einem Grossanlass vorzuzeigen hatte und seine persönliche Bestleistung noch weit von der 20-Sekunden-Marke weg war.
In Berlin aber schlug die Stunde des Alex Wilson, der damit alle Kritiker und Lächelnden zum Verstummen brachte. Insbesondere auf der zweiten Streckenhälfte der 200 m spielte der Basler seine Stärke aus. 50 m vor dem Ziel lag er noch zurück und kämpfte sich erst auf den letzten Metern auf Rang drei vor. Die Entscheidung war so knapp, dass der Zielfilm über die Plätze zwei bis vier entscheiden musste. Hinter der Drei erschien nach gefühlt minutenlangem Warten zum Jubel der Schweizer Fans der Name Alex Wilson. Und ja, plötzlich ist Wilson auch ganz nah an dieser 20-Sekunden-Marke: 20,04, neuer nationaler Rekord! Wilson lief damit 10 Hundertstel schneller als bei der SM in Zofingen. Eine Klasse für sich war der Weltmeister Ramil Guliyev, der mit 19,76 Sekunden gewann.
„Ich habe immer an mich geglaubt“
Auch wenn Wilson sagt, dass Druck etwas sei, dass er nach der letztjährigen WM in London für sich abgeschafft habe, muss die Last, die von ihm abgefallen ist, eine grosse sein. Das zeigte der Gefühlsausbruch als feststand, dass er Bronze auf sicher hatte. Und er sagte: „Nicht alle haben an mich geglaubt. Das Wichtigste aber war, dass ich es immer tat“, sprudelte es gewohnt euphorisch aus ihm heraus. „Ich bin glücklich, dass ich beweisen konnte, dass meine Ansage ernst war. Mein erstes Gefühl als ich die Medaille auf sicher hatte war: Geil, ich habe es geschafft!“
Für das Schweizer Team ist es an dieser EM nach zahlreichen guten Leistungen und Finalqualifikationen der erste Medaillengewinn. Wilson reiht sich mit Bronze hinter zwei weiteren erfolgreichen Schweizer 200-m-Athleten bei Europameisterschaften ein. 1969 und 1978 hatten Philippe Clerc (Gold) und Peter Muster (Bronze) bereits geglänzt. Dann folgte eine 40-jährige Sprint-Durststrecke. Bis Alex Wilson kam. Gopferdeckel!
Paukenschlag von Loïc Gasch
In der Hochsprung-Qualifikation gab Loïc Gasch (US Yverdon) seinen Einstand auf der ganz grossen Bühne. Der Romand kam gut in den Wettkampf, meisterte 2,11, 2,16 und 2,21 m gleich im ersten Versuch. Erst bei 2,25 seien die Sprünge nicht gut gewesen, sagte Gasch. Er bekundete Mühe und riss dreimal. Obwohl er damit die Qualifikationshöhe nicht schaffte, reichte es ihm als einer der 12 Besten in den Final. Was für eine Überraschung! „Auch ich selbst habe damit nicht gerechnet, ich bin sehr überrascht und natürlich freue ich mich sehr,“ sagte ein glücklicher Gasch. „Ich verspürte bei 2,25 einen Schmerz im Rücken, jetzt muss ich diesen bis am Samstag gut pflegen. Und ich muss schauen, dass ich ruhig bleibe und nicht allzu nervös werde.“
Final mit Gasch: Samstag um 20.00 Uhr.
Zufriedene Géraldine Ruckstuhl bei Halbzeit
Géraldine Ruckstuhl (STV Altbüron) schloss den ersten Tag des Siebenkampfes im 14. Zwischenrang mit 3567 Punkten ab. An ihre persönlichen Bestmarken kam sie nicht ganz heran, das Kugelstossen verlief nicht nach Wunsch – beim Einstossen war die Kugel noch weiter geflogen. Dennoch zog sie ein positives Fazit: „Insgesamt bin ich zufrieden. Ich wusste nicht genau, was ich kann, wie mein Formstand ist. Jetzt möchte ich morgen zeigen, was ich drauf habe. Meine Trainingsleistungen im Weitsprung und Speerwerfen sind vielversprechend.“
Annik Kälin (AJ TV Landquart) ist erst 18 Jahre alt und eine der jüngsten Athletinnen an dieser EM überhaupt. Die Siebenkämpferin blieb auch in den Disziplinen drei und vier etwas hinter den Erwartungen beziehungsweise ihren persönlichen Bestleistungen zurück. Dennoch gab es für sie keinen Grund, schwarz zu malen. „Die Leistungen sind jetzt nicht so super. Es war für mich nicht einfach nach Götzis und der U20-WM einen Neuaufbau zu machen. Aber ich bin froh, dass ich hier sein darf und meine Erfahrungen machen kann.“
Nächste Siebenkampf-Disziplin mit Kälin und Ruckstuhl: Weitsprung am Freitag um 10.50 Uhr.
Swiss Athletics berichtet auf der Website von der EM und führt auch eine eigene EM-Subsite mit hilfreichen Zusatz-Informationen rund um die Schweizer Equipe. Ausserdem werden die Social-Media-Kanäle Facebook, Twitter und Instagram laufend mit Fotos und Videos bespielt.
Die Fernseh-Stationen SRF, RTS und RSI übertragen ab Montag live und umfassend aus Berlin. Zusätzliche Video-Beiträge aus dem Umfeld des EM-Teams finden sich auf ubs-athletics.fans und athle.ch. Vor Ort ist auch ein Team von athletix.ch, dass die Schweizer Leichtathletik-Community laufend mit Fotos aus dem Olympiastadion versorgt.
(cg)