Ob ohne oder mit internationaler Medaille: Cornelia Bürki (LC Rapperswil Jona) und Sandra Gasser (STB) haben in den achtziger Jahren als erste Schweizerinnen die mythischen Marken von 4:00 und 2:00 Minuten über 1500 m respektive 800 m unterboten.
Leichtathletik-WM 1987 im Römer Olympiastadion: Pierre Délèze verpasst das Podest über 5000 m um einen Rang – sein weibliches Pendant Cornelia Bürki über 3000 m gar nur um eine Hundertstelsekunde (obwohl sie die Brust im Zielfilm vor ihrer Widersacherin hatte). Die Enttäuschung ist im ersten Moment gross, doch viel Zeit bleibt der Olympiafünften von 1984 (3000 m) nicht, um der Medaille nachzutrauern.
Fünf Tage nach den 3000 m stürmt die Athletin vom LC Rapperswil-Jona auch über 1500 m auf Rang 4. Noch mehr: In 3:59,90 Minuten bleibt die 1,60 m kleine Läuferin mit dem grossen Kampfgeist das einzige Mal unter der Schallmauer von 4 Minuten. Sandra Gasser ist im gleichen Rennen zwar noch schneller, wird aber nachträglich disqualifiziert. Bis zu den mysteriösen, weil nicht identischen A- und B-Proben im Römer Dopinglabor ist es die beste Saison der Hallen-EM-Dritten von 1984 gewesen.
Rekordjagd auf der Unterdistanz
Hallen-Europameisterschaften 1987 in Liévin: Anders als ihr STB-Vereinskollege Werner Günthör, der sich dem DDR-Athleten Ulf Timmermann sowohl an der Indoor-EM- als auch an der -WM beugen muss, lässt Gasser über 1500 m alle «Staatsamateurinnen» hinter sich. Die Schweiz hat erstmals seit Meta Antenen 1974 wieder eine Hallen-Europameisterin!
Gassers Rekordjagd ist lanciert: Obwohl nicht ihre Paradestrecke, sprengt sie im deutschen Fürth als erste Schweizerin die 2-Minuten-Grenze über 800 m. An den Schweizer Meisterschaften in Bern schafft sie 1:59,49 im Alleingang, später beim ISTAF in Berlin sogar 1:58,90. Eine Zeit, die erst im Jahr 2015 Selina Büchel, ebenfalls Hallen-Europameisterin, unterboten wird.
Schweizer Siege in Zürich…
Zurück auf ihrer Paradestrecke, den 1500 m, triumphiert Sandra Gasser auch auf der grössten internationalen Bühne der Schweiz – bei Weltklasse Zürich 1987, seit 1981 unterstützt von Hauptpartner UBS.
Einheimische Siegerinnen sind rar im Letzigrund. Die letzte heisst Cornelia Bürki und begeistert das Heimpublikum 1977 gleichermassen über 1500 m. Die 1953 in Südafrika geborene Spätzünderin startet wie Délèze 15-mal in Zürich und lässt sich 1985 von den Zuschauern zum Meilenrekord tragen.
…und in Lausanne
Nicht minder beliebt ist Cornelia Bürki beim Meeting «Athletissima Lausanne», das 1977 erstmals im Stade Pierre-de-Coubertin über die Bühne geht. Bei der zweiten Austragung 1978 läuft die Schweizer Sportlerin des Jahres zum Sieg in Rekordzeit (4:07,71). 1985 wiederholt sie ihren Coup und nähert sich der magischen 4 Minuten (4:03,78). Es ist die Dernière in «Vidy». Ab 1986 findet das internationale Meeting im Stade Olympique de la Pontaise statt.
Cornelia Bürki hinterlässt ihre Spuren auch ausserhalb der Stadien – international mit zwei fünften Plätzen an der Cross-WM, national mit dem Sieg beim Murtenlauf 1981. Den Basler Stadtlauf gewinnt die zweifache Mutter fünf Mal, den Luzerner Stadtlauf sogar sechs Mal, den Zürcher Silvesterlauf und den Schweizer Frauenlauf in Bern je zweimal.
Während die helvetische Fahnenträgerin an den Olympischen Spielen 1988 in Seoul 1989 nach rekordverdächtigen 47 Schweizer Meistertiteln und 26 Landesrekorden kürzertritt, um sich ihre schwerbehinderte Adoptivtochter zu pflegen, kehrt Sandra Gasser zurück auf die Bahn – und wie.
Doch noch eine WM-Bronzemedaille
Im ersten Rennen nach der zweijährigen Sperre absolviert die Bernerin die zwei Bahnrunden in Bern abermals unter 2 Minuten (1:59,35). Nur vier Tage später rennt sie die 1000 Meter im spanischen Jerez so schnell wie keine Schweizerin vor und nach ihr und verfehlt den damaligen Weltrekord in 2:31,51 bloss um 74 Hundertstel.
Über 1500 m gewinnt die Hallen-Europameisterin von 1987 und Hallen-EM-Dritte von 1984 drei weitere internationale Medaillen: Silber und Bronze an der Indoor- und Outdoor-EM 1990 sowie Bronze an den Hallen-Weltmeisterschaften in Toronto, die sie, bereits am Boden, mit letzter Kraft erkämpft. Und auch die WM-Bronzemedaille von Rom 1987 durfte die Swiss Athletics History Makerin und heutige STB-Trainerin behalten…
Link zum Podcast mit Cornelia Bürki von Swiss Track Check (Schweizerdeutsch)
Link zum Interview mit Sandra Gasser von Swiss Athletics
Link zu Pierre Délèze und Peter Wirz – Weltklasse auf den Mittelstrecken
(sto)